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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at
24.08.2018 | Nathalie Credo

Mein Praktikum im Kinderheim

In einem Kinderheim aufzuwachsen, ist das Schlimmste, was einem Kind passieren kann - oder doch nicht? Was Nathalie als Praktikantin im Heim erlebt habe. 

Da ich im Rahmen meiner Ausbildung zur Sozialpädagogin ein Praktikum in einem Kinder- und Jugendheim gemacht habe, möchte ich euch heute davon berichten. Was denkst du über Heimkinder? Vielleicht gehörst du auch zu denjenigen, die denken, dass diese Kinder und Jugendlichen doch sicher alle "total arg" drauf sind?

 

HEIMat

Eins vorweg: Die Kinder und Jugendlichen sind nicht deshalb im Heim, weil sie selbst so schlimm wären – sondern deshalb, weil die Eltern sich aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreichend um sie kümmern können. Aus diesem Defizit heraus entwickeln die Kinder und Jugendlichen natürlich oft Verhaltensweisen, die man als ,,auffällig“ bezeichnen könnte – dem liegen aber, wie gesagt, meist Traumata zugrunde. ,,Trauma“ ist Griechisch und bedeutet ,,Verletzung“. Kinder, die zum Beispiel vernachlässigt wurden, entwickeln häufig eine Art "Schutzmechanismus"  - sie legen oft ein Verhalten an den Tag, das als "nicht normal" gilt. Klar - viele der Heimkinder konnten sich nur durch Anpassung ihres "sonderlichen" Verhaltens an die Situation durch ihren Alltag kämpfen. 

 

Im Heim sind die Minderjährigen für eine bestimmte Zeit, je nach Sachlage, untergebracht. Heutzutage wird alles Mögliche dafür getan, damit sie sich möglichst schnell eingewöhnen. Stellst du dir vielleicht kahle Mehrbettzimmer oder Gitter vor? Triste Gänge und strenge Regeln? Das war leider früher so, ist heute aber – in Österreich zumindest – ganz anders. Die Kinder leben in Wohngruppen und können ihre Zimmer selbst gestalten. Die SozialpädagogInnen versuchen, möglichst viele Wünsche bezüglich der Freizeit zu erfüllen (Ausflüge, Shoppen, Musikschule,…) und den Kindern und Jugendlichen Freiraum zu geben. Ich habe mein Praktikum einige Monate lang absolviert und erlebte, wie die ErzieherInnen (SozialpädagogInnen) – Verantwortung für mindestens sechs Kinder tragen, welche aus schwierigen Verhältnissen stammen.

 

Mir ist es sehr wichtig zu betonen, dass die Kinder nichts dafür können, dass sie aus komplizierten familiären Verhältnissen kommen. Dieser Umstand wurde mir bereits am ersten Arbeitstag klar, als ich die Hintergründe der einzelnen Kinder und Jugendlichen erzählt bekam. 

 

Die sind doch eingesperrt, oder?

Keineswegs! Die Kinder besuchen externe Schulen, daher kommen sie auch mit anderen in ihrem Alter in Kontakt, die bei den Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten leben und nicht nur mit anderen Heimkindern. Der Heimalltag ist darauf ausgelegt, ,,so nahe an einem guten Zuhause“ wie nur möglich zu sein. Auch in der Freizeit gibt es die Möglichkeit, sofern die Minderjährigen stabil genug sind, Freizeitaktivitäten nachzugehen, die nicht am Heimareal stattfinden. Zum Beispiel begleitete ich einmal ein Mädchen zu einem ,,Sonderausflug", was sehr spannend zu beobachten war. Am interessantesten war es für mich, mit den Kindern und Jugendlichen selbst zu sprechen. Ihre Sicht der Dinge hat mich immer wieder aufs Neue nachdenklich gemacht. Die Kinder haben viel erlebt und sobald man ihre persönlichen Geschichten besser kennt versteht man, warum manche "so sind wie sie eben sind".

 

Gibt es Kontakt zu den Eltern?

In den meisten Fällen kommen die Eltern nach Absprache auf Besuch. Sogar Wochenendausgänge sind möglich! Dann dürfen die Kinder und Jugendlichen nachhause. Das Ziel ist immer, die Familie zu stabilisieren und die Minderjährigen irgendwann wieder in ein gesundes Umfeld entlassen zu können Ich durfte manchmal bei Elterngesprächen dabei sein und kann nur sagen: Hut ab! Als HeimerzieherIn (SozialpädagogIn) muss man so einiges leisten! Denn nicht immer ist Eltern und/oder Kindern klar, dass ein Heimaufenthalt dem Kindeswohl dient… 

 

 
Ich habe durch meine Zeit im Heim meine eigenen Freiheiten eines ,,normalen“ Zuhauses, wie ich sie als Minderjährige hatte, umso mehr zu schätzen gelernt!
 
 

 

Lohnt sich ein Praktikum?

Na, auf jeden Fall! Also natürlich nur dann, wenn du wirklich eine Herausforderung suchst. Denn: Du musst selbst anpacken! Essen kochen, Kekse backen, Vorbereitungen für Feste organisieren ... natürlich alles unter Aufsicht von SozialpädagogInnen. Die Kinder und Jugendlichen schonen dich aber nicht und manchmal kommte es zu angespannten oder traurigen Momenten. Daher musst muss man sich auf ein anstrengendes und verantwortungsvolles Praktikum einstellen! Ich kann nur sagen, dass es das dennoch wert ist.

 

Und: Ich habe durch meine Zeit im Heim meine eigenen Freiheiten eines ,,normalen“ Zuhauses, wie ich sie als Minderjährige hatte, umso mehr zu schätzen gelernt! Auch, wenn mir als Kind und Teenager manche Regeln und Dinge in meiner Erziehung nicht gefallen haben, ich bin in einer guten Umgebung aufgeachsen - und das Glück haben viele nicht. Im Heim bekommen die Kinder wieder diese notwendige Stabilität und Struktur beigebracht - denn ein Zusammenleben ohne Regeln in völliger Strukturlosigkeit funktioniert nicht.

 

Bis bald - du liest wieder von mir!

Nathalie

Nathalie Credo

Schon viel gesehen, erlebt und ausprobiert: einfach Nathalie. Ich bin Sängerin, Autorin, Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin, wobei ich mich auf zuletzt genanntem Gebiet gerade weiter spezialisiere. Neben Österreich sind die USA mein zweites Zuhause - das Reisen ist eines meiner liebsten Hobbys, doch zu lange würde ich von meinen beiden Katzenkindern nicht getrennt sein wollen. Meine Blogs sind vielfältig – so wie ich!

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