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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at
25.06.2018 | Marcel Urban

Meine Zeit im Gefängnis

Wie ist es, ein paar Stunden hinter Gittern zu sein? Ein Besuch im Gefängnis hat Marcel vor allem eines: ein Lächeln geschenkt.

Als ich gefragt wurde, ob ich ins Gefängnis gehen möchte, war ich ehrlich gesagt verwirrt. Auch wenn ich früher gerne Blödsinn betrieben habe, kam es nie so weit, dass ich in einer Zelle gelandet bin.

 

Neugierig habe ich zugesagt und traf mich am Abend vorher mit einer Gruppe von jungen begeisterten Menschen zum ersten Austausch. Sie waren ein Mosaikstein des Events „Jesus in the City“, das in Wiener Neustadt stattfand und von verschiedenen katholischen Gruppen veranstaltet wurde. Ziel war es, die Stadt für einige Tage positiv zu verwandeln. Die Teilnehmer wollten Freude verbreiten – in diesem Fall ausgerechnet im Gefängnis.

 

Mein Besuch im Gefängnis - Marcel Urban - meinplan.at
 

Drinnen waren natürlich keine Fotos erlaubt, aber vor der Justizanstalt Wiener Neustadt war noch Zeit für ein Selfie. © Marcel Urban/meinplan.at

 

In meinem Kopf hatte ich sofort Bilder von weißen Gitterstäben und Justizwächtern mit klirrenden Ketten, an denen zahlreiche Schlüssel hängen. Mir wurde beim Betreten der Anstalt schnell klar, dass ich damit gar nicht so falsch lag. Begleitet wurden wir von einem Mann, der sich als Priester für ein Leben im Kloster entschieden hat und regelmäßig die Gefangenen besucht. Ich war gespannt, was mich erwarten wird.
 

Kraft und Hoffnung spenden

In der Justizanstalt führten wir Pantomime auf, während im Hintergrund spanische Musik gespielt wurde. Bei dem Stück ging es um Lebensphasen, die man als Mensch durch Wendungen im Leben durchmacht. Die Aussage: Es gibt einen liebenden Gott, der uns so annimmt, wie wir sind. Dabei spielt es keine Rolle, welche Vergangenheit man hatte, sondern ob man sich dazu entscheiden möchte, sein Leben zu ändern.

 

Als wir gehen wollten, sind gleich drei Männer auf den Priester zugekommen. Sie fragten ihn, wann er Zeit hat, um Einzelgespräche mit ihnen zu führen. Sie hatten etwas auf dem Herzen, das sie loswerden wollten.

 

Im Frauengefängnis

Am nächsten Tag besuchten wir ein Frauengefängnis. Bevor wir diesmal das Programm aufführten, feierten wir mit den Gefangenen den Gottesdienst. Einer Frau hat das Lied „Oceans“ der Gruppe Hillsong United so gut gefallen, dass sie gleich nach den Noten fragte. Andere waren so gerührt, dass ihnen die Tränen kamen. Ich musste mich selbst zusammenreißen. Ich merkte, wie mich das alles total berührte und meine Blicke die der Gefangenen trafen.

 

 
Ich merkte, wie mich das alles total berührte und meine Blicke die der Gefangenen trafen.
 
 

 

 
Die Gruppe beim Gefängnisbesuch - meinplan.at
 

Die Truppe nach dem Gefängnisbesuch. © Marcel Urban/meinplan.at

 

Ein Lächeln verändert mein Leben

Mir ist erst nicht bewusst gewesen, was ich machen sollte und senkte gleich meinen Blick. Das kam mir unglaublich komisch vor. Ich schaute wieder zu den Gefangenen, diesmal lächelte ich. Das Lächeln, das ich zurückbekommen hatte, war nicht selbstverständlich und gleichzeitig wurde mir so einiges klar. Auch wenn man nichts hat, kann man durch ein Lächeln einen kleinen Augenblick an Fröhlichkeit verschenken. Was es dafür braucht? Die richtige Herzenseinstellung, wie wir die anderen ansehen.

 

Wenn ich schon die Möglichkeit hatte, dort ein Lächeln zu verschenken, dann möchte ich das auch erst recht an den Orten machen, an denen es mir richtig schwerfällt. U-Bahnstation Westbahnhof Wien, sieben Uhr am Morgen zum Beispiel. Zwischen Geschäftsleuten und Schulkindern mit großen Rucksäcken versuche ich im Herzen fröhlich zu bleiben und auf den Lippen ein Lächeln für all die Menschen zu haben, deren Blicke ich für einige Millisekunden treffe.

Marcel Urban

Ich heiße Marcel Urban und studiere in Heiligenkreuz im Wienerwald katholische Theologie. Mit dem Wort „Millenial“ verbinden Arbeitsgeber kreative Menschen, die – allerdings mit dem Coffee-to-go-Becher – gemütlich durch das Büro schlendern und eine hipster Arbeitsumgebung wie bei Google fordern. Sie möchten am liebsten ihre Hobbys zum Beruf machen, viel reisen und dabei immer neue Menschen kennen lernen. Ich bekenne mich hiermit zu dieser ausgestoßenen Randgruppe - während ich warte, dass mein Name aufgerufen wird, damit ich endlich meinen Iced Latte Macchiato bei der Theke abholen kann.

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