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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at
22.06.2018 | Nathalie Credo

Musik, Suppe und Regenwolken – mein Praktikum im Flüchtlingsheim

Ein Haus mit zehn Burschen, die nach Österreich geflüchtet waren und für die ich mitverantwortlich war … Was würde mich erwarten?

Die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist etwas, das ich schon lange wagen wollte. Naja, zugegeben, meine Ausbildungsstätte erwartete einen Sommerjob im Sozialbereich und in St. Pölten hatte nur diese eine Stelle auf meine Bewerbung "angebissen". Deswegen war die Freude groß, als ich die Zusage erhielt. Ein Monat lang in ein ganz neues Arbeitsfeld eintauchen! Was würde mich erwarten?

 

Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Erwartungen. Die Betreuung von zehn unbegleiteten Minderjährigen, die nach Österreich geflüchtet waren, wartete auf mich … Würden wohl Gesellschaftsspiele bei ihnen gut ankommen?, fragte ich mich vorab.

 

Wann regnet es endlich?

Es war ein heißer Sommer, herrliches Wetter und wochenlang nur Sonnenschein. Die Konsequenz daraus war jedoch, dass die Burschen nicht zuhause waren. Sie kühlten sich im Stadtbad ab oder erkundeten Wien. Da saß ich dann und wartete. Ich wartete und wartete … und wartete. Auf einen Regentag! Darauf, dass die Burschen einmal nicht unterwegs waren.

 

Es regnet!

Gemeinsam Essen beim Praktikum im Flüchtlingsheim © Pixabay - meinplan.at
 

Gemeinsames Essen schweißt zusammen. © pixabay.com

Ich dürfte es ja fast nicht zugeben, aber diese Arbeit war Entspannungsurlaub pur. Kurzzeitig vergaß ich sogar, dass ich mich noch in Österreich aufhielt, so schwül war es. In Kombination mit den südländischen Köstlichkeiten und der guten Gesellschaft (die Burschen machten gerne viele Witze!) vergingen die Regentage wie im Flug.

 

Hast du überhaupt was gelernt?

Natürlich ergaben sich auch die einen und anderen Gespräche mit Trauercharakter. Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge waren Burschen zwischen 13 und 19 Jahren. Sie hatten Dinge hinter sich, die wir uns gar nicht vorstellen können! Krieg, Angst, Leben am Minimum, die Angst, bei Grenzüberquerungen entdeckt zu werden, und noch viel mehr.

 

 
Generell kann ich jedem den kulturellen Austausch sehr empfehlen, da der eigene, persönliche Horizont geöffnet wird. Nach nur wenigen Gesprächen empfand ich viel mehr Dankbarkeit darüber, in Österreich – und in Sicherheit – zu leben.
 
 

 

Ich lernte, dass auch nach schwersten Traumatisierungen Menschen dazu im Stande sind, solche Witze zu machen, dass ich fast am Boden liege vor Lachen.

 

Hart wie Beton oder weich wie Butter

Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit, ist bei keinem Menschen gleich. Der eine erlebt weniger Dramatisches und ist trotzdem schwer traumatisiert. Der andere geht buchstäblich durch die Hölle und hat nach ein paar Jahren Therapie seinen inneren Seelenfrieden wieder gefunden. Ich selbst habe mich gefragt, in welche Gruppe ich mich einordnen würde – tendenziell zur letzteren. Aber wer weiß das schon genau. Resilienz hängt auch vom aktuellen Umfeld ab und ist nie nur ,,Eigenverdienst“.

 

Ich bin froh, mich getraut zu haben, in eine ganz andere Welt einzutauchen – sofern es regnete natürlich ;-).

 

Und du? Traust du dich, Flüchtlingen aus anderen Kulturen zu begegnen und über das, was ihnen widerfahren ist, zu sprechen? Natürlich in gemütlicher Atmosphäre und ganz viel leckerem Essen. ; - )

Nathalie Credo

Schon viel gesehen, erlebt und ausprobiert: einfach Nathalie. Ich bin Sängerin, Autorin, Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin, wobei ich mich auf zuletzt genanntem Gebiet gerade weiter spezialisiere. Neben Österreich sind die USA mein zweites Zuhause - das Reisen ist eines meiner liebsten Hobbys, doch zu lange würde ich von meinen beiden Katzenkindern nicht getrennt sein wollen. Meine Blogs sind vielfältig – so wie ich!

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