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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at
29.07.2018 | Beziehung | Emanuela Sutter

Opfern wir unsere Freiheit für Beziehungen?

Beim Philosophie-Talk diskutierten Studierende zum Thema "Freiheit in Bindung". Emanuela war dabei und fasst die Antworten auf entscheidende Fragen des Lebens zusammen.

„Opfern wir unsere Freiheit für unsere Beziehungen? Kann man zu zweit überhaupt frei sein? Schränkt Beziehung ein oder kann sie frei machen? Ist Bindung nicht das Gegenstück zu Freiheit? Ist Freiheit kompromissfähig? Verliere ich meine individuelle Freiheit, wenn ich mich binde?“

 

So lauteten die herausfordernden Fragen, mit denen wir uns an diesem Mittwochabend in gemütlicher Atmosphäre des Café Caspars auseinandergesetzt haben. Ich versuche, die vielen widersprüchlichen Statements und Ansichten zu ordnen, die kreuz und quer durch meinen Kopf fliegen. Gute Philosophie kennt nämlich eines NICHT: die eine, wahre, Schwarz-weiß-Antwort!

 

Somit sei hier der Versuch gestartet, die wichtigsten Aussagen zusammenzufassen: 

 

Opfern wir unsere Freiheit für unsere Beziehungen?

Die Wahrheit ist, dass unser ganzes Leben eingebettet ist in Beziehung. Ohne den körperlichen Kontakt und die Zuwendung der Mutter würde jedes Baby – trotz genügend Nahrung – zugrunde gehen. Eine beliebte Foltermethode zu allen Zeiten war das Einsperren des Häftlings in eine Einzelzelle. Er wurde komplett von der Außenwelt abgeschirmt, indem sich die Zelle meist tief unter der Erde befand, wo auch keine Geräusche zu ihm durchdringen konnten. Oft trugen die Aufseher sogar Schuhe mit extra-leisen Sohlen, damit nicht einmal Schritte zu hören waren. Ziel war es, den Gefangenen an den Rand des Wahnsinns zu treiben und so ein Geständnis aus ihm herauszupressen.

 

 
In unserer Gesellschaft wird das Problem der Einsamkeit immer größer.
 
 

 

Die englische Regierung hat darauf reagiert und vor kurzem eine Ministerin für Einsamkeit ernannt (kein Scherz!). All das sind Indizien dafür, dass der Mensch keine Insel ist. Für die, die es philosophischer haben wollen: Unser ganzes Sein ist Relatio (lat. „Beziehung“, „Verhältnis“). Sehen, Sprechen, Essen,… all das ist „Relatio“. Diese Tätigkeiten brauchen ein Gegenüber und sind dafür da, mit unserer Umwelt in Kontakt zu treten.

 

Verliere ich meine individuelle Freiheit, wenn ich mich binde?

Punkt 1 zeigt auf, dass ein Leben ohne Bindung praktisch unmöglich ist! Wenn ich mich in Freiheit für etwas oder jemanden entscheide, sage ich damit automatisch „Nein“ zu anderen Möglichkeiten. Oft muss ich mich auch binden, um gewisse Ziele zu erreichen, die mir dann wieder neue Freiheiten eröffnen.

 

Ich denke da z.B. an die Matura: Um diese zu erreichen, muss ich mich an das Schulsystem binden und dadurch gewisse Unfreiheiten in Kauf nehmen. Habe ich das Ziel, die Matura, erreicht, öffnet mir das eine neue Freiheit, nämlich: an allen Unis dieser Welt und die Sache, die mich wirklich fasziniert, zu studieren.

 

Kann man zu zweit überhaupt frei sein?

Kann es sein, dass Freiheit eine innere Haltung, eine innere Einstellung ist und nicht so sehr von den äußeren Umständen abhängt? Ich denke, ja.

 

Hinter vielen Problemen, die Paare in Beziehungen in Bezug auf „Freiheit vs. Bindung“ haben, liegen tiefere Ursachen wie Ängste, Eifersucht, Minderwertigkeitskomplexe.

 

Dazu fallen mir zwei Beispiele ein, die mir öfters unterkommen: Das permanente In-Kontakt-bleiben-Wollen per Handy in einer Beziehung, wo es dem einen eben total wichtig ist, ständig verbunden zu sein, während es den anderen nervt und er sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt.

 

Ein weiteres Szenario: Der eine möchte sich ab und zu alleine, ohne den Partner, mit Freunden  treffen und allein auf Partys gehen. Der andere hält überhaupt nichts davon und reagiert traurig / beleidigt / enttäuscht und es kommt zu Auseinandersetzungen.

 

Hinter diesen Konflikten stecken meist persönliche Themen wie ein Mangel an Selbstwert und Selbstsicherheit, daher das Bedürfnis nach ständiger Bestätigung und Ermutigung durch den Partner. Oder es stehen Eifersucht und Ängste dahinter, er/sie könnte auf der Party jemand Neues kennenlernen und mich links liegen lassen. 

 

An diesen Beispielen zeigt sich: Je freier ich bin (frei von Unsicherheiten, Ängsten, Minderwertigkeitskomplexen,…), desto mehr Freiheit kann ich dem anderen geben!

 

Schränkt Beziehung ein oder kann sie frei machen?

Es klingt paradox, aber die meisten Menschen (mich eingeschlossen) fühlen sich in guten Beziehungen, sei es eine Partnerschaft oder tiefe Freundschaft, freier. Sie gibt mir Freiheit, mehr ich selbst zu sein.

 

 
In einer guten Beziehung lege ich Masken ab, die ich sonst an den Tag lege, zeige mein „wahres Ich“, lasse Emotionen zu, die ich sonst verstecken würde. Ich darf in diesen Beziehungen auch mal schlecht drauf sein.
 
 

 

Das alles kann ich aus dem Wissen heraus, dass ich geliebt werde und mein Partner zu mir steht, egal, was kommt. Beziehung ist also ein sicherer Ort, wirklich ganz ich selbst zu sein. Ich denke, dass jeder Mensch so einen Ort, so eine Beziehung braucht.

 

    Zum Schluss habe ich für euch ein paar weiterführende Gedanken und Zitate von Teilnehmenden der Talk-Runde:

    • Mit welcher Absicht führst du eine Beziehung? Willst du den anderen ganz für dich? „(Miss)Brauchst“ du den anderen für dein Glück?
    • „Du brauchst die richtige Bindung, um überhaupt loszustarten!“ (Vergleich mit Snowboarden oder Paragleiten)
    • „Der Mensch erkennt sich erst im Gegenüber.
    • Die Liebe sagt: „Ich möchte mich an dich binden, weil du DU bist!“
    • „In der Liebe bringt mir der andere nichts. Er ist gut an sich, nicht gut für mich. Genau das liebe ich an ihm.“
    Emanuela Sutter

    Ich verbinde die großen Leidenschaften meines Lebens: Musik, Literatur, Philosophie und Theologie. Bei mir gilt: Denken und Fragen erlaubt! Es gibt keinen Gedanken, der zu abgründig, zu abstrakt, zu jenseitig wäre.

     

    Derzeit studiere ich Deutsch und Philosophie/Psychologie auf Lehramt sowie katholische Fachtheologie und arbeite als Harfenlehrerin an zwei Musikschulen. Das hat mit meinem ersten Studium an der Musikuni Wien zu tun, wo ich einen Abschluss in Harfe-Instrumentalpädagogik gemacht habe.

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