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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at
20.01.2022 | Nina B. Gusenbauer

Warum ich Ordensschwester geworden bin - Ein Interview mit Sr. Mirjam

*Interview-Antworten sind nicht wortwörtlich wiedergegeben, sondern nur inhaltlich übernommen.

 

Bitte stelle dich kurz vor und erzähle ein bisschen über dich!

Mein Name ist Sr. Mirjam Maria und ich komme aus Oberösterreich. Ich bin 23 Jahre alt und Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegerin. Ich bin die älteste von vier Kindern. Ich habe drei Brüder: Die jüngeren Brüder sind 6 und 8 Jahre und der Älteste ist 21 Jahre alt. Sie alle prägen mein Leben sehr. Es ist so schön, das Aufwachsen mit diesem Altersunterschied zu beobachten. Meine Leidenschaft ist die Musik. Als ich jünger war, habe ich Viola gespielt, jetzt spiele ich Gitarre und Klavier. Außerdem komponiere ich auch.

 

Die Musik ist mein Ausgleich im Alltag und mein Ventil. Die Musik ist eine Möglichkeit mich auszudrücken, wenn mir die Worte fehlen. Ich finde Esel ziemlich cool – sie sind meine Lieblingstiere (lacht). Ich denke, das waren erstmal die wichtigsten Informationen über mich.

 

Mit welchem Alter hast du dich entschlossen Ordensschwester zu werden? Wie kam es dazu?

Mit 15 Jahren ist die Frage das erste Mal aufgetreten, da wurde meine Sehnsucht konkret. Ich bin religiös aufgewachsen und der Glaube ist schon immer Teil meines Lebens. Es gab jedoch auch Phasen,  da konnte ich nicht so viel mit dem Glauben anfangen, zum Beispiel in der Hauptschulzeit. Das hat sich mit meiner anschließenden Ausbildung, die Fachschule der Marienschwestern vom Karmel – die Gemeinschaft in der ich jetzt lebe, geändert. Mit 14 Jahren habe ich die Schwestern kennengelernt. Ihr Zentrum ist Glaube/Gott/Jesus. Die Ausstrahlung der Schwestern von Glück, Zufriedenheit und Bodenständigkeit hat mich angezogen und fasziniert. Ich wollte wissen: Woher nehmen sie diese tiefe Freude, bei der man spürt, die kommt wirklich von ganz tief innen? Sie sind so erfüllt!

 

Sie richten ihr Leben auf etwas aus, dass wir hier auf Erden von uns aus nicht geben können. Das hat mich stark angezogen. Da habe ich meine Entscheidung getroffen: Ich möchte meinen Glauben leben! Nicht als Muss oder aus der Tradition heraus, sondern weil ich es als erfüllend erlebe und weil Gott mir wichtig ist und ich mit ihm in Beziehung leben will. Daraus ist die Sehnsucht gewachsen ins Kloster zu gehen. Mein Leben ganz der Hingabe an Gott auszurichten und an die Menschen weiterzugeben: Die Liebe zu leben, die nicht nur mir alleine gilt. Also die Liebe die ich von Gott empfange, weiterzugeben. Und dadurch habe ich mich entschlossen Ordensschwester der Marienschwester vom Karmel zu werden.

 

 
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©Sr. Mirjam kuschelt mit der Katze

 
 

 

Wie hat dein Umfeld (Familie, Freunde, …) auf deine lebensveränderte Entscheidung reagiert?

Meine Freunde aus dem Internat der Fachschule waren nicht überrascht darüber, da sie mein Wachstum und all die Minischritte die auf so einen Weg passieren miterlebt haben. Wir haben darüber gesprochen und sie wussten, es ist ein Teil von mir. Freunde, welche nicht mit mir im Internat zusammengelebt haben, wussten, ich mache sicher mal etwas Außergewöhnliches in meinen Leben, somit kam meine Entscheidung für sie auch nicht überraschend. Sie haben mich in meinem Wunsch immer bestärkt, weil sie erkannt haben, wie glücklich ich auf dem Weg bin und wie sehr es meine Erfüllung ist. Weiters haben sie gespürt, wie ich immer mehr zu dem Menschen werde, der ich wirklich bin. Und ich habe nie Freunde durch meinen Weg verloren, im Gegenteil, manche Freundschaften haben sich dadurch vertieft.

 

Einige Freunde melden sich öfters als zuvor. Auch mit gewissen Anliegen, wo sie wissen, damit können sie zu mir kommen, bei mir ist es gut aufgehoben – auch wenn sie nicht religiös sind. Dieses Vertrauen ist für mich etwas Kostbares, ganz was Wertvolles und schenkt mir große Freude und erlebe ich als großes Geschenk.

 

Auch für meine Familie war es keine große Überraschung, aber es war trotzdem schwer für sie. Vor allem für meine Mama, da ich die einzige Tochter und das älteste Kind bin. Also das erste Kind, das meine Eltern „hergeben müssen“ und von Zuhause auszieht. Das alles war nicht leicht. Aber ich denke, dass ist in keiner Lebenslage leicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Entscheidung der Ehe, eines Roadtrips, einer Weltreise oder ähnliches handelt.

 

Wie hat sich dein Leben durch den Eintritt in den Orden verändert? Was ist gleich/ähnlich geblieben?

Ich bin mit 18 Jahren in die Gemeinschaft eingetreten. Was sich dabei verändert hat, ist die bewusste Entscheidung für eine Gemeinschaft. Mein Leben ist geprägt von den Zeiten in der Gemeinschaft und dem Gebet. Zuvor habe ich auch gebetet, aber seit meinem Eintritt hat es eine neue Form und einen Rhythmus bekommen. Früher habe ich eher nach Lust und Laune gebetet und ausgeschlafen, so wie ich es wollte. Das mache ich auch jetzt noch, weil es natürlich wichtig ist, aber eben nicht mehr in dem Ausmaß wie zuvor. Einfach weil ich merkte, dass Rhythmus und Struktur etwas so Wichtiges sind. Nicht nur im Kloster, sondern überhaupt! Dass das Leben erfüllend ist und man den Tag nicht wie jeden Tag erlebt oder auch „überlebt“, sondern ERLEBT.

 

Da hat mir das Gebet geholfen, weil es bestimmte Zeiten gibt, in denen man das Leben immer wieder auf das Wesentliche ausrichtet. Für mich ist das Wesentliche: Gott, aus dem ich alles empfange! Alles ist ein Geschenk, nichts ist selbstverständlich und das hat sich für mich verändert. Es war zwar auch vor meinem Leben in der Gemeinschaft schon da, jedoch hat alles eine andere Form und Struktur bekommen.

 

Natürlich hat sich auch das Äußerliche verändert: Früher trug ich kurze Shorts oder ähnliche Kleidung. Ich habe mich schon immer sehr bunt gekleidet und das tue ich auch nach wie vor gerne! Am Sonntag bekomme ich einen Rock und das war für mich etwas ganz Neues, da ich nie Röcke getragen habe. Ich habe es aber mit der Zeit lieben gelernt!

 

 
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© Sr. Mirjam beim Trampolin-Hüpfen im Garten

 
 

 

Wie hast du die Zeit der Kandidatur und die Aufnahme ins Noviziat erlebt? Ist es für dich noch ungewöhnlich nach all den Jahren plötzlich einen anderen Namen zu tragen?

Die Zeit der Kandidatur hat bei mir zwei Jahre gedauert. Parallel dazu habe ich die Ausbildung zur Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert. In der Kandidatur ist man sehr ungebunden und frei, da schaut man einfach mal und lebt mit den Schwestern mit und stellt für sich fest, ob diese Lebensform etwas für einen ist. Der nächste Step zur Ordensschwester ist das Noviziat, da wird dann schon alles konkreter. Mit der Aufnahme ins Noviziat bekommt man das Ordensgewand. Bei uns in der Gemeinschaft ist das der Habit (Ordenskleid) und ein weißer Schleier. Dieser unterscheidet mich auch von den anderen Schwestern, welche einen schwarzen Schleier tragen und sich nicht mehr im Noviziat befinden. Der weiße Schleier kennzeichnet, dass ich mich in Ausbildung befinde.

 

Was ich mit der Aufnahme ins Noviziat noch bekomme ist ein neuer Name. Ich trage nicht „einfach so“ einen neuen Namen, sondern für mich ist der Name Programm. Jeder Name hat eine Bedeutung und hinter jedem Namen steht eine Persönlichkeit. Wir bekommen den Namen von besonderen Menschen, die möglicherweise auch Vorbilder sind für uns. Ein Name ist nie unbedeutend. Mein Taufname ist Laura und ich habe ihn sehr geliebt. Die Aufnahme in das Noviziat war für mich ein bewusster Schritt, eine bewusste Entscheidung, es begann ein neues Leben für mich – und so wollte ich auch einen neuen Namen wählen. Bei mir war es der Name Mirjam.

 

Die Mirjam hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Vielleicht kennt jemand die Geschichte: Mirjam ist die Schwester von Mose im Alten Testament und beim Durchzug durch Ägypten war sie diejenige, die den Lobpreis der Frauen angeführt hat. Sie steht mit zwei Männern, Mose und Aaron ganz an der Spitze, also sie war wirklich eine Powerfrau.

 

Sie schlägt dann auf die Pauke und tanzt, weil sie befreit worden sind. Sie sind durch das Meer durchgezogen und sind gerettet worden. Durch ihren Lobpreis bezeugt sie: Hey, Gott – wir sind ihm nicht egal! Es gibt ihn und wir sind nicht ohne Grund gerettet worden! Und so sehe ich darin eine Aufgabe und ein Lebensmotto: Hoffnungsträgerin zu sein und zu bezeugen, wir sind Gott nicht egal! Aber auch zu tanzen und zu lobpreisen, denn das Leben ist so schön und ein großes Geschenk! Ich bin der Meinung: Wir tanzen viel zu wenig!

 

Gab es auch schwierige Phasen im Werden einer Ordensschwester? Wenn ja, wie bist du damit umgegangen? Wer/Was hat dir dabei geholfen?

Es klingt immer so idyllisch, das Leben im Kloster. Aber es ist nicht immer so, denn es ist wie in jeder Familie, jeder Gemeinschaft, jeder WG oder jedem Freundeskreis. Es gibt Zeiten die schwierig sind. Zum Beispiel, wenn man sich gegenseitig mal nicht aushält. Wir sind Schwestern, aber noch lange keine Heiligen. Wir sind ganz normale Menschen, wir werden auch wütend oder streiten manchmal.

 

Es ist nicht immer alles gut und es gibt schwierige Phasen. Den Weg als Ordensschwester gehen nicht viele. Ich gehe den Weg jetzt aber schon und dann frage ich mich: Was hat das für eine Bedeutung? Spinn ich wirklich? Denn

manchmal wird man auch wie eine Außerirdische behandelt oder andere können meine Entscheidung schwer nachvollziehen. Dann steht man alleine da und es ist nicht immer einfach. Da kommen dann Zweifel. Aber ich denke, das ist wichtig, damit sich so ein Weg festigen kann. Denn aus solchen Phasen gestärkt rauszugehen ist sehr hilfreich, wenn es mal ganz dunkel wird. Auch wenn es im Moment nicht einfach ist, rückblickend habe ich das schon so oft erkennen dürfen.

 

Was mir in solchen Phasen gut hilft, ist die Musik als Ausdruck, aber auch von Menschen umgeben zu sein, denen ich vertrauen kann und mit denen ich ehrlich über meine Emotionen sprechen kann. Beispielsweise mit was ich hadere oder ich mir schwer tue. Da bin ich so dankbar über meine Mitschwestern, weil sie so offen sind und mich begleiten sowie meine Zweifel verstehen. Wenn man logisch nachdenkt, dann klingt alles so absurd. Aber manchmal lässt sich der Weg nicht mit dem Verstand begreifen, weil es viel tiefer liegt.

 

Der Ruf von Gott ist so stark und so klar hier, auch wenn er gegen alle Prinzipien der Welt steht: Er ist Wirklichkeit. Das Gebet, das immer wieder neu Ausrichten, bei mir und in der Gegenwart bleiben helfen mir im Leben. Sorgen sind oft sehr gepusht zum Beispiel durch Stress: Da gehe ich ganz anders um, als in der Ruhe und wenn ich in meiner Mitte bin. Da hilft es Zeit in der Natur zu verbringen und die Schönheit zu entdecken, die uns hier geschenkt wird, um ganz in der Gegenwart anzukommen und sich nicht in den Sorgen aufzulösen oder sich in ihnen zu verlieren.

 

 
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©Sr. Mirjam spielt Gitarre im Unterricht

 
 

 

Welche Highlights hast du als Ordensschwester bisher sammeln dürfen, wofür bist du dankbar?

Meine Highlights als Ordensschwester: Auf jeden Fall die Aufnahme ins Noviziat, aber auch meine Reise nach Uganda. Wir haben dort eine Missionsstation – es ist so schön die (jungen) Schwestern dort zu erleben. Einfach mitzuerleben wie das Leben und die Kultur der Menschen dort ist. Man fährt verändert zurück. Wir leben hier in einem Reichtum, wir haben alles, uns fehlt nichts. Wenn man sieht, mit wie wenig die Menschen in Uganda auskommen und glücklich sind, dann hinterfragt man seinen eigenen Lebensstil schon sehr stark. Die Reise war für mich eine so wichtige Erfahrung und ein persönliches Highlight.

 

Highlights sind für mich auch, wenn neue Mitglieder in die Gemeinschaft kommen, um die Freude zu teilen. Das erste Weihnachten ist auch ein Highlight: Weihnachten das erste Mal nicht wie gewohnt daheim zu verbringen und trotzdem kein Heimweh zu haben – man weiß, man ist am richtigen Platz. Es sind oft kleine Momente im Alltag, so ganz kleine zwischendurch, die zu Highlights werden. In denen man spürt: Ich weiß nicht warum, aber ich bin am richtigen Platz! Das kennt bestimmt jede/r und ich wünsche es allen, dass sie auch das Gefühl erfahren dürfen.

 

Egal in welcher Lebensform. Meine Lebensform ist nicht besser als eine andere. Jede/r muss ihr/sein Ding machen und ihren/seinen Weg gehen, um so, die bestmögliche Form von sich selbst zu werden. Danke liebe Nina für deine lieben Fragen!

 

Ich bedanke mich bei dir Sr. Mirjam! Danke, dass du dir Zeit genommen hast deinen Weg und deine Berufung zu teilen. Danke auch für dich als Freundin und dass ich dich ein Stück auf diesem Weg begleiten durfte! Ganz viel Liebe!

 

Nina B. Gusenbauer

Aufgewachsen bin ich in Oberösterreich und Niederösterreich. Derzeit fühle ich mich in Wien zuhause, wo ich als Elementarpädagogin berufliche Erfüllung finde. Wenn ich nicht gerade in der Natur Energie tanke, tauche ich in die Welt der Bücher ein oder versuche mich am künstlerischen Gestalten. Dankbar bin ich für jede Minute, welche ich mit meinen Lieblingsmenschen verbringen darf. Schreiben ist meine Leidenschaft, meine Stimme, mein Ausdruck.

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