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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Haben wir Mut zur Verletzlichkeit

Wie oft zeigen wir keine Gefühle oder bitten nicht um Hilfe – aus Angst, verletzt zu werden? Dabei macht uns die Verletzlichkeit menschlich und verhilft zum erfüllten Leben. Haben wir also Mut zur Verletzlichkeit!

Als meine kleine Schwester letztes Jahr die erste Klasse begann, kam sie nach einigen Wochen zu mir, ein selbstgebasteltes Freundschaftsarmband in der Hand, und meinte, sie würde dieses Armband gerne ihrer Sitzkameradin schenken. Sie habe aber Angst, dass es ihr nicht gefallen würde. Ich begann sie zu ermutigen. Ihre Freundin würde sich sicher freuen. Sie würde es wertschätzen. Denn wer freut sich nicht über Geschenke? Wer freut sich nicht über Aufmerksamkeit, über Wertschätzung? Es fiel mir aber schwer, sie zu überzeugen.

 

Haben wir Mut zur Verletzlichkeit © iStock/MEINPLAN.at
 

 Wer seine Verletzlichkeit überwindet, erfährt eine Menge an Chancen und offenen Türen © iStock/MEINPLAN.at

Kurz darauf stieß ich auf den Ted Talk der Sozialforscherin Brené Brown, indem sie von Verletzlichkeit spricht. Davon, dass wir alle Angst vor Verletzlichkeit haben, obwohl diese so essenziell für ein erfülltes Leben ist. Auf einmal verstand ich, was hinter der Unsicherheit meiner Schwester steckte. Und hinter so vielen Unsicherheiten, die ich selbst habe.

 

Das zweischneidige Schwert der Verletzlichkeit

Es gibt so viele Situationen im Alltag, in denen wir uns verletzlich machen könnten. Und viele von uns, ich eingeschlossen, würden alles tun, um dies zu verhindern.

 

Am Beispiel meiner Schwester: Wir haben ein Problem damit, unsere Gefühle zu zeigen, anderen Liebe und Zuneigung zu geben, ohne zu wissen, ob dies erwidert wird. Oder wir kaschieren unsere Fehler lieber, anstatt unsere Fehlbarkeit zu zeigen. Anstatt um Hilfe zu bitten, Schwächen einzugestehen, plagen wir uns eher allein mit unseren Problemen. Wir gehen lieber nicht zum Arzt, weil sich dort unsere Verletzlichkeit offenbaren könnte. Das Verhindern von Verletzlichkeit äußert sich in den banalsten, aber auch in den lebenswichtigsten Momenten.

 

 

Brené Brown erklärt dies damit: „Vulnerability is the core of shame and fear and our struggle for worthiness but […] it’s also the birthplace of joy, of creativity, of belonging, of love.”

 
 

Einfach alle negativen Gefühle verhindern?

Das ist die Krux an der Sache: Verletzlichkeit füllt und ERfüllt das Leben. Wenn wir der Verletzlichkeit aus dem Weg gehen, wenn wir nichts riskieren, verhindern wir alle negativen Gefühle, die damit einhergehen könnten. Scham, wenn wir abgewiesen werden, wenn wir eingestehen etwas falsch gemacht zu haben, Unruhe und Angst, dass beim Arztbesuch vielleicht doch etwas entdeckt werden könnte.

 

Ein Leben ohne diese Gefühle, klingt perfekt, oder? Verletzlichkeit zu vermeiden scheint also der beste Weg zu sein. Leider ist die Schattenseite des Ganzen, dass wir ohne Verletzlichkeit auch den potenziellen positiven Erfahrungen keine Chance geben. Man kann die positiven nicht von den negativen Gefühlen trennen, wie Socken in einer Sockenschublade. Die Freude, wenn Zuneigung erwidert wird, die Erleichterung, wenn sich beim Arztbesuch herausstellt, dass wir komplett gesund sind. Den Zusammenhalt und die Freundschaft, die wir dadurch erhalten, wenn wir um Hilfe bitten. Das Gefühl, wenn wir etwas Neues ausprobieren und gut darin sind. Das alles geht nicht ohne Verletzlichkeit.

 

Verletzlichkeit macht uns menschlich, ist das, was uns verbindet, was uns sympathisch macht. Verletzlichkeit ist das, was uns ausmacht. Keine Verletzlichkeit zu zeigen bedeutet, nicht sein richtiges ICH zu zeigen, sondern unter einem Schutzschild, in konstanter Angst zu leben.

 

Mut zur Verletzlichkeit 

Ich glaube, das, was wir erfahren, wenn wir uns öffnen, wenn wir riskieren, ist viel größer als diese Angst. Ich glaube, unsere Verletzlichkeit kann uns, wenn wir ihr eine Chance geben, Unmengen an Türen öffnen. Erst wenn wir diesen Schutzschild ein wenig senken, können wir sehen, wie viel Schönes dahinter liegt.

 

Ich realisiere, so wie ich meine Schwester ermuntert habe, so sollte ich mich selbst viel mehr ermuntern. Ein wenig mehr Mut zur Verletzlichkeit haben, das sollten wir alle.

 

Zofia Wegrzecka

Eine Weltbürgerin auf permanenter Suche nach den schönsten Dingen dieser Welt, aktuell das Auf und Ab ihrer 20er genießend- die Poetin in mir würde sich wohl so beschreiben. Weil ich in Polen geboren, in Deutschland und Österreich aufgewachsen, nirgendwo so richtig aber irgendwie doch überall ein bisschen daheim bin. Erklärt vielleicht auch, wieso das Reisen zu meinen Leidenschaften zählt. Gleich danach kommen das Nachsinnen und Philosophieren über Gott und die Welt. Weil ich meine Freunde aber auch nicht ewig vollquatschen kann und mein Kopf manchmal schon zu überquellen droht, habe ich einfach ab und zu den Drang, das Ventil aufzudrehen und meine Gedanken rauszulassen. Auf Papier (oder eher auf Word). Warum ich für MEINPLAN schreibe? Zugegeben, vielleicht spricht da eine kleine Narzissistin aus mir heraus, aber ich glaube, dass mein Gedanken-Wirrwarr vielleicht doch für andere ganz hilfreich und wenn nicht das, dann zumindest interessant sein könnten.

 

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