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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Was ich beim Brombeerpflücken über Geduld gelernt habe

Die großen Erkenntnisse des Lebens kommen oft nebenbei. Beim Brombeerpflücken zum Beispiel. Ines schreibt über die Fähigkeit zu warten und den rechten Moment zu erkennen.

Ich bin vieles, nur nicht geduldig. Wenn ich etwas möchte, dann sofort.

Wenn ich eine Idee habe, will ich sie gleich umsetzen.

Wenn ich nachdenke, wohin meine nächste Reise gehen könnte, will ich am liebsten sofort losfahren.

Wenn ich eine Sprache lerne, will ich sie sofort perfekt beherrschen.

 

Ich glaube, so wie mir, geht es vielen Menschen. Wir sind es schließlich gewohnt, dass alles sofort verfügbar ist und wir unsere Bedürfnisse rasch befriedigen können. Als Kinder mussten wir auf den nächsten Tag warten, um die nächste Folge unserer Lieblingsserie (in meinem Fall: „Sabrina, total verhext“) sehen zu können.

 

Heute können wir ganze Staffeln in einem Stück durchschauen und müssen den Cliffhanger nicht mehr aushalten.

 

Es gibt kein Leben auf Knopfdruck.

Manches braucht Zeit. Das habe ich neulich ausgerechnet beim Brombeerpflücken gelernt.

 

Topmotiviert gehe ich in unseren Garten in Niederösterreich hinaus. Meine Mission: Brombeeren pflücken für's Joghurt. Und für Marmelade. Und am besten auch gleich zum Saftmachen.

 

 
Topmotiviert koste ich die erste Beere. Und spucke sie sofort wieder aus.
 
 

Etwas verunsichert, aber immer noch guter Dinge, reiße ich die nächste Beere vom Strauch. Bäh. Super sauer.

 

Bei der dritten Beere halte ich inne, und betrachte sie etwas genauer: Außen sind die kleinen Fruchtblätter reif und dunkel, aber innen, wo der Stängel war, sind sie noch rot! Dass die Beere also noch gar nicht reif ist, sieht man von außen nicht.

 

Zu früh gepflückt: Die Brombeere ist innen noch nicht reif.

 

Unreife Brombeeren erkennen © Ines Schaberger/MEINPLAN.at
 

Unreife Brombeere © Ines Schaberger/MEINPLAN.at

 

Da kommt mein Opa vorbei und erklärt, dass man erspüren könne, ob die Beere reif sei. Lasse sie sich leicht vom Stängel lösen, bedeute das, dass man sie pflücken könne. Müsste man hingegen mehr Kraft anwenden, dann soll man der Beere lieber noch ein, zwei Tage Zeit geben.

 

Lieber Gott, gib mir Geduld, aber schnell!

Ich probiere Opas Tipp und tatsächlich, die Brombeeren, die einem gleichsam in die Hand fallen, schmecken süß.

 

„Alles kommt zur rechten Zeit, wenn die Menschen lernen würden zu warten.“ Das soll der französische Schriftsteller François Rabelais schon im 15. Jahrhundert gesagt haben.

 

Während ich weiter Brombeeren pflücke, wandern meine Gedanken zur Geduld. In der Bibel kommt sie ganz schön gut weg, wenn sie neben Frieden oder Freude auch als „Frucht des Heiligen Geistes“ (Galater 5,22-23) beschrieben wird.  Auch in anderen Religionen spielt diese Tugend eine wichtige Rolle, im Koran beispielsweise werden die Gläubigen immer wieder dazu aufgefordert, sich in Geduld zu üben.

 

Die Kunst des Warten-Könnens

Für mich ist Geduld

  • Warten können, auch wenn es unangenehm ist.
  • Darauf vertrauen, dass es gut werden wird, auch wenn ich es noch nicht sehen kann.
  • Den rechten Moment erkennen und nicht vorschnell versuchen, ein Ergebnis zu beschleunigen.
 

„Alles kommt zur rechten Zeit, wenn die Menschen lernen würden zu warten.“

- François Rabelais -

 
 

Denn vieles im Leben braucht Zeit, um wachsen und reifen zu können

  • Babys im Bauch der Mama.
  • Vertrauen zwischen Fremden.
  • Das Lernen aus Erfahrungen.  

Auch das Entdecken der eigenen Berufung, also die Frage nach dem eigenen Platz im Leben, darf Zeit brauchen. Mach dir also keinen Stress, wenn du dir noch nicht sicher bist, welches Studienfach das Richtige für dich ist, wo du dein Praktikum machen möchtest oder wenn du auf deine zehnte Bewerbung eine Absage bekommst.

 

 

Vertraue darauf, dass alles gut werden wird. Versuche trotzdem, wachsam zu sein, um den rechten Augenblick nicht zu verpassen.

Bis ich das endgültige Thema für meine Masterarbeit wusste, sind mehrere Monate vergangen, in denen ich verschiedene Möglichkeiten überlegt und mit verschiedenen Menschen darüber gesprochen habe. Und plötzlich war mir dann klar, worüber ich schreiben wollte.

 

Und jetzt, am Ende meines Studiums, wächst eine Ahnung in mir, wie es weitergehen könnte. Erzwingen kann ich keine schnelle Entscheidung. Die nächsten zwei Monate werde ich zu Fuß die 1.000 km nach Assisi gehen. Mit Rucksack und Zelt. Ich hoffe, dass mit jedem Schritt auch die Geduld und das Gespür, was ich mit meinem Leben tun möchte, wachsen wird.

 

Brombeeren werde ich auf meinem Weg dorthin sicher auch finden.

 

Rezept: Brombeer-Joghurtcreme

Rezept Brombeer-Joghurt-Dessert © Ines Schaberger/MEINPLAN.at
 

Brombeer-Joghurt-Nachspeise © Ines Schaberger/MEINPLAN.at

 

P.S: Aus den Brombeeren wurde übrigens ein leckeres Beerendessert. Falls du jetzt auch Lust auf eine Nachspeise mit Brombeeren hast:

  1. Eine Handvoll Brombeeren und Himbeeren mit einem Löffel oder Schnitzelklopfer leicht zerstampfen, einen Löffel Honig oder nach Belieben Zucker dazu fügen.
  2. Ein kleines Naturjoghurt untermischen.
  3. Beerenjoghurt in eine Glasschale füllen und eine Kugel Vanilleeis in die Mitte setzen.
  4. Nach Belieben mit Gänseblümchen, Ringelblumen- und Goldmelissenblüten sowie ganzen Beeren dekorieren und kühl servieren.
Ines Schaberger

Ines Schaberger studiert Theologie und Religionspädagogik an der Uni Wien und war für ein Semester in Fribourg (CH). Sie arbeitet als freie Journalistin, liebt Bücher und Kaffeehäuser, Zeit in der Natur zu verbringen und Fragen zu stellen.

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