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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Warum wir am Scheitern wachsen können

Warum haben wir eigentlich so viel Angst vor dem Scheitern? Warum zerbrechen wir uns so oft den Kopf, ob die Idee, das Vorhaben, die Vision, die wir gerade anpeilen, auch wirklich gelingen kann? Warum versuchen wir es nicht einfach, anstatt abzuwarten – um dann vielleicht doch einen Rückzieher zu machen? 

Diese Fragen bewegen mich schon lange. Ich habe sie mir im Laufe meines Studiums, meiner beruflichen Erfahrungen aber auch in meinem privaten Leben, in meinen Beziehungen zu anderen Menschen oft gestellt. Ich habe einige Erfahrungen des Scheiterns machen dürfen, sie haben mich sehr bereichert. Die Umwege, die dadurch entstanden, haben mich auf neue, bessere Wege geführt. Klar – das hätte ich in jenem Moment nicht für möglich gehalten. Damals waren die Wut, die Ohnmacht, die Traurigkeit, mein gekränktes Ego und mein geschwächtes Selbstwertgefühl viel dominanter. 

 

Durch Scheitern mir selbst mehr vertrauen

Doch je öfter ich in meinem Leben scheitere, desto mehr Vertrauen gewinne ich wiederum in mich selbst, in das Schicksal, in das „Glück im Unglück“. Dafür braucht es zunächst eigentlich nur einen tiefen Atemzug und eine Tasse Tee. Der Hl. Franz von Sales würde dir wahrscheinlich einen „Becher Verstehen, hunderttausend Liter (Selbst-) Liebe und einen Ozean an Geduld“ empfehlen. Solche Mengen habe ich noch nie erreichen können, doch sie geben Orientierung in Zeiten des Scheiterns. 

 

 
Warum wir am Scheitern wachsen © Unsplash
 

Je öfter ich in meinem Leben scheitere, desto mehr Vertrauen gewinne ich in mich selbst. © Unsplash

 
 

 

Reinhold Messner, der wohl bekannteste Bergsteiger, Abenteurer und Grenzgänger unseres Zeitalters schreibt in seinen Büchern viel über das Scheitern. Seine Erfolge lagen bis dahin im Bereich des „Unmöglichen“; er bestieg als erster Mensch alle vierzehn Achttausender unserer Erde und er erreichte 1978 als Erster den Mount Everest ohne Sauerstoff-Flasche. Zudem bestieg er als erster Mensch einen Achttausender (Nanga Parbat) im Alleingang – so später auch den höchsten Berg der Erde (Mount Everest), stets ohne zusätzlichen Sauerstoff. Messner durchquerte die Antarktis, Grönland und die Wüste Gobi. Dieser Mann blickt vertikal als auch horizontal auf große Erfolge zurück, die jedoch auch Erfahrungen des Scheiterns mit sich brachten: 

 

 

„Allein für das Besteigen der 14 Achttausender habe ich 30 Expeditionen gebraucht. 18 Mal bin ich bis zum Gipfel gekommen, zwölf Mal gescheitert … Um weiter zu kommen als andere, muss ich öfter wiederaufstehen können als andere, auch häufiges Scheitern verkraften lernen … Der Erfolgreiche ist auch der, der öfter als alle Gescheiterten bereit war, von Neuem anzufangen.“

 

(Reinhold Messner in seinem Buch"Berge versetzen – das Credo eines Grenzgängers")

 
 

Interessanterweise schreibt Reinhold Messner, dass seine gescheiterten Expeditionen viel lehrreicher waren als seine gelungenen. Sie schulten seinen Instinkt, nicht etwa die gesellschaftliche Ratio, die uns von klein auf vermittelt wird. Scheitern macht „weise“, „menschlich“ und „stark“, so Messner. 

 

 

„Das Ausgesetztsein mobilisiert Kräfte in uns, die wir vorher nicht gekannt haben. Und im Scheitern ist das Ausgesetztsein oft gesteigert. Oft regt es zu neuen Kombinationen in der Lösung von Problemen an … Die Angst vor dem Versagen war bei meinen Expeditionen hauptsächlich vor dem Start da. Nie beim Rückzug … Natürlich war mir jedes Mal klar, wenn ich aus einer Wand abseilte, ohne den Gipfel erreicht zu haben, dass ich ‚verloren‘  hatte … Doch das Image bedeutet mir weniger als die gewonnene Erfahrung. Und Erfahrung wächst uns gerade beim Scheitern zu. Die wiederholte Erkenntnis, begrenzt zu sein ist wichtig.“

 

(Reinhold Messner in seinem Buch "Berge versetzen – das Credo eines Grenzgängers")

 
 

Im Lesen dieser Lebensweisheiten bekam ich Gänsehaut. Ich war sehr berührt von den Worten dieses Grenzgängers. Schließlich wusste er aus erster Hand, was es bedeutet, regelmäßig und auf eine kaum vorstellbare Art zu scheitern. Reinhold Messners größter Verlust war dabei wohl der Tod seines Bruders Günther bei einer gemeinsamen Expedition am Nanga Parbat 1970. 

 

Wann habe ich auf mein Bauchgefühl gehört?

Auf den eigenen Instinkt vertrauen und den nächsten Schritt wagen © iStock/MEINPLAN.at
 

Auf den eigenen Instinkt vertrauen und den nächsten Schritt wagen © iStock/MEINPLAN.at

 

Das Scheitern in der Wildnis – in der Todeszone am Himalaya – ist für mich ein sehr extremes Beispiel, trotzdem konnte ich auf irgendeine Art und Weise eine Brücke zu meinem Alltag schlagen. Denn auch der Alltag und das Leben in der Zivilisation können Angst machen. So kamen in mir viele Fragen auf, vor allem in Bezug auf mein ganz persönliches Scheitern, auf die Träume und Visionen, die ich habe. Ich fragte mich: Wann habe ich das letzte Mal auf meinen Instinkt – auf mein Bauchgefühl – gehört? Und wie habe ich mich danach gefühlt? 

 

Die Antwort war: viel zu selten! Schließlich verlangt die Gesellschaft von mir, dass ich rationale Entscheidungen treffe und somit meine kindliche Neugierde und Risikofreude verdränge. Mein Kopf ist also meistens lauter als mein Bauch oder mein Herz. Ich hatte in meinem Leben manchmal das Gefühl, dass gewisse Entscheidungen für mich getroffen wurden bzw. erwartet wurden – da ich sonst scheitern könnte. Doch genau solche fremdbestimmten Entscheidungen führten mich dann oft zu Misserfolg oder Verlusten. 

 

Fest steht: Vor „Instinkt-Reaktionen“– habe ich mich immer sehr gefürchtet. Nachher war ich aber meistens überglücklich! Einfach mal tun und nicht denken! Einfach mal über den eigenen Schatten springen – auch wenn man dabei hinfällt, sich schmutzig macht oder die Orientierung verliert. Ich erinnere mich an einige großartige Momente in meinem Leben, in denen ich genau das gemacht habe. Einzigartige Glückmomente, die mein Leben meistens nachhaltig verändert haben – oder zumindestens meine Sicht darauf. 

 

Doch auch das Hören auf meinen Instinkt brachte das Scheitern mit sich, dies war für mich aber weniger schlimm – denn ich wusste, dass ich alles gegeben hatte, dass ich das auch wirklich wollte. 

 

Scheitern tut weh

Trotzdem tut Scheitern weh und schlimme Schicksalsschläge oder Zeiten der Krise sind nur schwer aushaltbar. Da helfen Sprüche wie „Wird schon wieder alles gut werden“ oder „Das gehört zum Leben halt dazu“, auch nicht weiter. Aber: Das gehört nun mal leider wirklich dazu! Keine*r weiß warum! Und jede*r würde es sich solch eine Situation lieber anders aussuchen. Wir sind gezwungen mit diesen Spannungen zu leben, diese Absurditäten, die das Leben mit sich bringt, hinzunehmen! Wir selbst können allerdings entscheiden, wie wir mit diesen Spannungen und Hindernissen umgehen. WIE wir durch unser Leben gehen, selbst wenn das WAS, das uns begegnet, manchmal unheimlich, kräftezehrend, angsteinflößend, unberechenbar und grenzwertig ist. 

 

Eckhart Tolle, ein spiritueller Lehrer und Bestsellerautor schreibt dazu: 

 

„Es gibt zyklische Perioden des Erfolgs, in denen dir alles zufällt und gelingt, und Perioden des Misserfolgs, in denen alles vergeht und zerfällt und du loslassen musst, um Raum zu schaffen, in dem Veränderung stattfinden und das Neue entstehen kann … In jedem Erfolg ist bereits Misserfolg angelegt und in jedem Fehlschlag der Erfolg … Alle Erscheinungsformen sind vergänglich. Du kannst zwar weiterhin aktiv sein und voller Freude neue Formen und Umstände schaffen, aber du identifizierst dich nicht mehr mit ihnen. Du brauchst sie nicht mehr für dein Selbstgefühl. Sie sind nicht dein Leben – nur deine Lebensumstände.“

(Eckhart Tolle, Leben im JETZT)

 
 

Und vor allem können wir entscheiden, ob die Angst unser Leben dominiert – ob wir uns mit ihr identifizieren - oder ob wir sie als Begleiterin einfach wahrnehmen ohne ihr immer und überall große Beachtung zu schenken. Das Scheitern macht Angst und Mut zur gleichen Zeit, genau daran können wir also wachsen! 

 

 

„Ein Held, der keine Angst hat, braucht keinen Mut. Die Angst ist eine ständige Begleiterin. Ohne Angst lebt kein Grenzgänger lange. Die Angst ist die andere Hälfte von Mut.“

 (Reinhold Messner)

 
 

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Christa Plank

Ich bin in Innsbruck und Südtirol zuhause, singe gerne laut und überall, mag am liebsten glutenfreie Pizza mit Rucola, reagiere allergisch auf Engstirnigkeit und Ungerechtigkeit und würde gerne mal am Meer leben.

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